Dr. Roswitha Jenner
Honorare
Interaktive, multimediale Lesungen -
pro Einheit
- VS: ca. € 170,-
- NMS/GYM: EUR 180,-- / 200,-
- Lesefeste: € 200,- - 220,-
die zweite Lesung reduziert - Schreibwerkstätte auf Anfrage
- Fahrt- bzw. Übernachtungsspesen
Lebenslauf
Roswitha Jenner, die unter dem Pseudonym SITA R. de Jenner schreibt,
wurde in Aigen/Schlägl OÖ geboren.
Studium der Anglistik und Geografie an der Universität in Salzburg (Mag. Dr.
phil.)
Förderungspreis für Wissenschaft Land OÖ
Mehrere Jahre AHS Professorin Linz
Geburt der Zwillingstöchter
1987 -1993 Auslandsaufenthalt mit Familie in Mexiko City
Literarische Beeinflussung durch den Magischen Realismus
Sprachkursleitung In- und Ausland
2001 GLÜCK FÄLLT NICHT VOM HIMMEL: Exposé TV Film, Drehbuchforum Wien und ORF
Diverse Arbeitstitel zu TV Exposés ORF, Wien
Projekte für Theater des Kindes Theater Linz
2002 HANDYKING: Kindertheaterstück, Linz
Dezember 2005 Debutroman HANDYBERG
Kam mit dem Manuskript des Romans LILA VILLA VOLL SOMBREROS in die
Endrunde des Kinder- und Jugendliteraturpreises 2008 der Steiermark.
Langjähriges Mitglied des österreichischen Autorenpools,
Leseservice-Center
Lesungen auf fast allen österreichischen Buchmessen, -wochen und Lesefesten
Lesungen Buchwoche Salzburg: 2008, 2014
Spielemesse Salzburg 2013
4. Teilnahme 2013: Buchfestival KIJUBU St. Pölten
Lesung niederösterreichische Landesbuchwoche: Baden, Tulln: 2008,
Wiener Neustadt: 2008, 2013
Lebt als freie Schriftstellerin in Linz.
Interview
Was bedeutet für Sie LESEN?
Lesen ist für mich eine Quelle für Glückselemente - Lesen bringt mich richtig in "Leseflow". Bücher ermöglichen es mir, in literarische Welten einzutauchen und total darin zu versinken. Und das schon seit meiner Kindheit. Du geh lesen!, hörte ich oft, wenn ich im Haushalt helfen wollte. Das VORlesen vor jungem Publikum und Leseratten wie mir bedeutet mir seit einigen Jahren allerdings mindestens genau soviel wie das Lesen.
Was bedeutet für Sie SCHREIBEN?
Schreiben ist für mich eigentlich noch beglückender als Lesen: Obwohl ich erst spät damit begonnen habe, war die Freude an der Sprache schon immer in mir, und mittlerweile kann ich mir ein Leben ohne Schreiben gar nicht mehr vorstellen. Für Kinder niederschreiben, was sich vor allem während meines Lebens in Mexiko an Bildern, Eindrücken und Emotionen in meinem Kopf angesammelt hat, ist mittlerweile Teil meines Lebens. Schreiben ist für mich ein vielseitiger Prozess: Von den ersten zaghaften Schritten eines neuen Textes, dieser Aufregung des Anfangs ausgehend, entwickelt sich nach und nach ein Textgerüst, das ich mit Sprachspielen, Magie und Märchen, Legenden und Skurrilem ausbaue. Natürlich ist Schreiben nicht nur Lust- und Sucht -; sondern auch harte Arbeit: Aber wie erfüllend ist das Glücksgefühl, wenn das vollendete Werk von den jungen Lesern angenommen wird und sie begeistert meinen Lesungen lauschen.
Warum schreiben Sie gerade für Kinder und Jugendliche?
Ich liebe es, für dieses ehrliche Publikum zu arbeiten, seine Offenheit und direkten Reaktionen. Bei Kindern und Jugendlichen merkt man schnell, ob sie sich beim (Vor-)Lesen langweilen oder ihnen ein Buch gefällt und sie sich von ihm begeistern lassen. Jede Lesung ist wieder eine Herausforderung, die Kinder von meinen Büchern zu überzeugen - diese Arbeit liebe ich. Ich glaube auch deshalb, meine Zielgruppe gefunden zu haben, da ich mich bereits während des Schreibens recht gut in meine Leser "hineindenken" kann. Einen kindlichen Blick auf die Dinge habe ich mir bis heute bewahrt.
Wie wichtig ist Ihnen beim Schreiben der Adressat (der unbekannte Leser)?
Ich nehme die Sorgen und Probleme der Kinder ernst, beschäftige mich auch viel mit Kinderpsychologie und versuche ich meinen Büchern stets aus der Sicht eines Kindes zu schreiben - was mir leicht fällt, da ich mir, wie gesagt, einen kindlichen Blick bewahrt habe. Wenn ein unbekannter Leser beispielsweise nach einer Lesung zu einem Bekannten wird, ist das jedes Mal wieder ein sehr erfreuliches Gefühl.
Gibt es Themen, die Sie nicht loslassen, die Sie schon öfters in Ihren Texten angegangen sind?
Der Blick in fremde und fantastische Welten mit allen Schönheiten und Problemen fasziniert mich - vermutlich aus dem Grund, weil ich mich selbst vor Jahren in einer fremden Welt zurechtfinden musste. Kinder müssen sich auch oft in Welten orientieren, die ihnen fremd erscheinen. Meine Texte sollen auch dieses Lebensgefühl der Kinder widerspiegeln. Dabei fließen ebenfalls aktuelle Themen wie Handymania, Integration und Toleranz mit ein. Zusätzlich ist es mir auch ein Anliegen, Lebensfreude zu vermitteln, den Kindern Mut zu machen und ihnen Trostpflaster zu spenden. Allem voran möchte ich jedoch die Magie des Alltags einfangen und spannende Märchen der Gegenwart schreiben. Auch das Spiel mit der Sprache darf jedoch nicht zu kurz kommen - das ist mir ein besonders zentrales Bedürfnis. Es gibt auch Figuren, die in meinen Texten immer wiederkehren, wie zum Beispiel Geschwisterpositionen, im Speziellen Zwillinge, wie ich sie als Mutter von eineiigen Zwillingstöchtern selbst kennenlernte, oder die Großeltern, im Besonderen die liebevolle Opa-Figur aus meiner eigenen Familie.
Meinen Sie, dass Geschichten die Wirklichkeit beeinflussen und ändern können?
Geschichten können durchaus Lösungsmöglichkeiten für Probleme des Lesers bieten und Veränderungen bei ihm bewirken - schon allein, indem sie den Blick auf Ereignisse verändern. Wer hat nach dem Lesen eines Romans nicht schon das Leben mit anderen Augen gesehen?
Wie fühlen Sie sich, während Sie an einem neuen Buch arbeiten?
Beflügelt und voller Elan. Wenn sich meine Geschichten täglich weiter entwickeln und die Figuren zu vollem Leben erwachen, lebe ich mich total in die von mir geschaffenen Welten hinein. Manchmal fliegen mir die Ideen im Schlaf richtiggehend zu und beim Aufwachen schwirren sie mir alle im Kopf herum. Das kann dann und wann auch stressig sein, da ich mich im Laufe einer Nacht voller Energydrinks und Fruchtgummis erst nach vielfachem Überarbeiten für eine endgültige Version entscheiden kann, die für meine jugendlichen Leser gut genug ist.
Welchen Stellenwert hat Humor für Sie?
Ganz klar, dass ein Buch die Kinder auch zum Lachen bringen soll. Das kommt ganz ihrem Spaßbedürfnis entgegen. Außerdem hilft Humor ja neben einem Schuss Magie und Skurrilität meinen Figuren dabei, Probleme zu bewältigen. Amüsieren sich meine Zuhörer bei meinen Lesungen, lacht mir bei jedem Kinderlacher auch selbst das Herz. Wichtig ist mir im Übrigen auch, dass meine Leser Sprache als etwas Lustiges und Kreatives erleben und vielleicht selbst zu sprachspielerischen Experimenten ermutigt werden.
Wären Sie nicht Autorin, welcher Beruf wäre für Sie vorstellbar?
Da ich sehr gerne reise, wäre ich vielleicht Weltenbummlerin, Managerin eines Strandhotels oder von Leichtathletik-Meetings - immerhin reichte es als Sprinterin und Hürdenläuferin zu einigen Meistertiteln -, vielleicht auch Mayaforscherin in Mexiko, wo ich lange gelebt habe. Filmemacherin ist auch ein Beruf, der mir gefallen könnte… für eine Klavierspielerin in einer Oldie-Band bin ich bei weitem nicht gut genug, deshalb gebe ich mich auch weiterhin vollauf mit meinen Auftritten auf diversen Lesebühnen zufrieden.
Leseprobe
BLUMENGEISTER-CLIQUE
Erschöpft lehnten Robert und Jessica in einer Ecke der Bootshalle, aus der alle
Boote herausgeräumt worden waren, um Platz zu schaffen für die Narzissenskulpturen.
Neben dem Rock`n`Roll-Star und seiner Gitarre aus Narzissen. Er wartete dort neben
den vielen anderen Figuren, wie Schmetterlingen, Schwänen und einem
überdimensionalen Kücken auf den Abtransport. Morgen sollten alle
Narzissenkunstwerke auf einem Autodach festgezurrt und in einem Festzug durch den
Ort gefahren werden. Ob sie bis dahin jedoch noch schön genug waren? Das war nicht
sicher. Denn der Sturm hatte ziemlich zugelegt. Die Gestecke drehten sich wie
verrückt in den orkanartigen Windböen.
Jessica hielt sich krampfhaft fest, um nicht davongeweht zu werden.
Mal am Geländer und mal an Robert.
Was war denn das für ein Geräusch?
Ein Blasen und Pusten, ein Sausen und Brausen. Als ob ein Riese 100.000
Geburtstagskerzen auf einmal ausblasen wollte. Nur dass die Riesengeburtstagstorte
keine Geburtstagstorte, sondern eben nur ein Blumengesteck war - oder eigentlich
nicht nur eines, sondern ganz viele.
Ja, was war denn das?
Nicht nur der Sturm wehte den beiden Teenagern um die Ohren.
Auch Narzissen.
Als weißer Wirbelwind.
Eine Narzisse nach der anderen löste sich vom Kopf des Rock´n`Roll-Stars. Bis er
mit glatze statt mit weißem Blütenhaar dastand.
Das war noch nicht alles.
Auch kopfabwärts löste sich Blüte für Blüte.
Vorher von Menschenhand mühevoll angebunden und nun wie von Geisterhand eiligst
herausgezupft und dann langsam achtlos fallengelassen zu werden...?
Gespenstisch.
Eine nach der anderen.
Nicht zu fassen.
Eine nach der anderen.
Wie am Fließband.
Narzisse für Narzisse fiel zu Boden, wurde wieder hochgewirbelt, flog durch die
Luft, trieb über die Veranda des Bootshauses auf den See hinaus. Wie Gespenster
stiegen die Blüten in die Höhe, schwebten dahin, bevor sie kurz darauf im Wasser
landeten und dort liegen blieben. Wie Blütenleichen...
Robert versuchte verzweifelt, die Blütengespenster aufzufangen und lief dabei immer
weiter von Jessica weg.
"Lass das! Bleib hier! Hier bei mir!", rief ihm Jessica zu. "Ich habe angst. Lass
doch die Blüten in Ruhe, kümmere dich lieber um mich bei diesem Sturm!"
"Ich bin ja bei dir. Ich beschütze dich. Für immer und ewig!"
Robert drückte sich sogar in dieser Situation aus wie Romeo. Und er hielt Jessica
jetzt wieder fest. Wie Romeo seine Julia.
Mitten im Sturm.
(aus: BLUMENGEISTER-CLIQUE , 1. Kapitel: Der Tag, an dem die Narzissen
verschwanden,
S 20-22)
LILA VILLA VOLL SOMBREROS
Kapitel: Auf der Plaza der Schreibmaschinen (S. 138 - 152)
Endlich war Lola an der Reihe.
"Dígame", sagte der alte Schreiber und schaute Lola freundlich durch die dicken
Gläser seiner Brille hindurch an, spannte einen Bogen Papier in seine
Schreibmaschine und wartete. Wie er es schon seit einem halben Jahrhundert
machte.
Hier drinnen roch es nach alter Tradition. Draußen unter den Arkaden bei den
zahlreichen Schreibern mit den nicht gerade neuen IBM-Schreibmaschinen und den
Schuhputzern mit den messingbeschlagenenen Bürsten roch es modrig und alt. Überall
tröpfelte es von den breiten Holzbalken, welche die Laubengänge überdeckten.
Dreckige herrenlose Hunde bellten. Schwitzende Händler priesen brüllend gedruckte
Taufkarten, Gebetskarten und das Binden von Papierbündeln zu Büchern an.
Besser dieser Grufti-Schreiber als gar niemand, dachte Lola und freute sich
außerdem, dass sie sich draußen nicht lange anstellen musste hinter all den anderen
Leuten mit Plastikfoldern voll Dokumenten, bekritzelten Zetteln oder zerknitterten
Rechnungen in ihren Händen. Eines hatten sie alle gemeinsam: Sie hatten zu Hause
keinen eigenen Computer (zu Lolas Bedauern traf das auch auf die Villa ihrer Eltern
zu).
Lola schaute auf - aha, sie war schon an der Reihe. Sie sollte also loslegen, was
er schreiben sollte.
"Lieber Opa, hast du...", sprudelte Lola los.
"Cómo?", unterbrach sie der Schreiber verdutzt und starrte sie an. So etwas hatte
er noch nie gehört.
Hatte er "Wie?" gefragt? Sah er nicht nur schlecht sondern hörte er auch schlecht.
Langsam dämmerte es Lola.
Sie hatte ganz vergessen, dass
- der Schreiber kein Deutsch verstand - weder in Wort noch Schrift -
- sie noch nicht so toll spanisch konnte - zumindest nicht genug fürs Übersetzen so langer Briefe.
- und wenn, Opa ja kein Spanisch verstand.
Da hatte sie nun die Bescherung. Das Unternehmen Lang-Briefschreiben-Rekord war
wohl gescheitert. Leider. Opa hielt den Rekord. Das war´s dann.
Adiós Schreiber-Brief. Hola Lola-Handschrift.
"Cómo?", wiederholte der Schreiber nun noch einmal, da Lola ihn nur wortlos und
enttäuscht anstarrte. Sie brachte kein Wort heraus. Weder auf Deutsch noch auf
Spanisch. Das war ihr voll peinlich. Alle im Geschäft, sowohl der Verkäufer als
auch ein junger fescher Kunde in Lolas Alter schauten zu ihr herüber. Sie blamierte
sich bis auf die Knochen. Am liebsten wäre sie in den Steinboden versunken, der in
diesem Stadtteil auf dem unsicheren Grund der alten Aztekenstadt ohnehin vom
Absinken bedroht war. Sollte sie losheulen oder davonlaufen? Oder beides? Lola zog
es vor, in Tränen auszubrechen.
"Qué pasó? Kann ich dir irgendwie helfen?", fragte plötzlich eine freundliche
Frauenstimme hinter ihr.
Lola blickte in ein junges, hübsches Frauengesicht. Schön wie ein Engel. Den hat
mir der mexikanische Himmel geschickt, dachte Lola erleichtert.
"Ja, bitte. Ich wollte meinem Opa unbedingt einen Brief schreiben lassen - einen
ganz langen.
Ich hab weder Zeit noch eine Schreibmaschine", erzählte Lola voll Vertrauen dem
rettenden Engel.
"Kein Problem. Ich hab gerade Zeit. Ich komme von der Deutschen Schule", sagte die
fremde Frau lächelnd.
Sie beherrschte also Deutsch in Schrift und Wort und hatte außerdem alle Zeit der
Welt. Lola himmelte den sprachbegabten Engel begeistert an.
Lolas Retterin schob dem Schreiber einen Haufen Pesoscheine hin, ihn selbst zur
Seite und setzte sich hinter die Schreibmaschine.
"Na, dann wollen wir mal. Was schreiben wir denn deinem lieben Opa?", fragte sie
aufmunternd.
Da saßen also nun:
° Der alte Schreiber auf einem kleinen Hocker in der hintersten Ecke.
° Die unbekannte Schöne hinter der Schreibmaschine.
° Lola, auf einem abgewetzten Holzsessel vor ihr.
Sie zögerte einen Augenblick, dann diktierte sie leise, damit nicht jeder im
Geschäft hören konnte, was sie Opa zu erzählen hatte:
"Mein lieber Opa! Hast du deinen Flug zu uns schon gebucht? Schau, dass du
einen Fensterplatz ergatterst. Dann kannst du beim Fliegen auf die Wolken schauen,
die in den witzigsten Figuren vorbeiziehen. Und auf die Sonne, die sich im Meer
spiegelt. Ich finde, dass schaut alles so friedlich aus! Übrigens in der Schule
geht´s auch grad friedlich zu, ich hab nämlich mit den Quarkies endgültig Frieden
geschlossen. Sogar bunte Freundschaftsbänder hab ich verteilt. Die hab ich von
meinem Taschengeld auf dem Markt gekauft. Mit den Pesos komm ich schon ganz gut
zurecht. Du kannst ja hier in den ersten Tagen eine Umrechnungstabelle von Pesos in
Euro verwenden, so wie Mama das manchmal immer noch tut."
Lola hielt inne und warf einen Blick nach hinten. Lauscher wollte sie keine in
nächster Nähe haben. Deshalb senkte sie ihre Stimme auch zu einem Flüstern:
"Opa, ich hab dir doch von dem süßen Typen hier, du weißt schon, dem
Nachbarjungen, erzählt..."
Lola hatte aufgehört zu erzählen. Sie konnte doch nicht ihren Gefühlen vor
versammeltem Publikum freien Lauf lassen! Doch als sie die Herzchen sah, die auf
die Schreibtischfläche gemalt waren und sich vorstellte, wie viele Liebesgedichte
hier schon ungeniert diktiert worden waren, hatte sie keine Bedenken mehr. Sollte
ruhig jeder im Geschäft und bis auf die Plaza hinaus hören, dass sie zum ersten Mal
verliebt war.
(aus: Lila Villa voll Sombreros, Verlag Denkmayr, Linz 2009, S. 142, 141/ Z. 4-8, 143-146)
PAJO-CHICLYS KAUGUMMIPYRAMIDE
Müde und abgespannt hockt Pajo auf einem Stoß alter Comic-Hefte. In der Nähe des
Zentrums von Mexico City. Vor einer der fast 200 U-Bahnstationen. Direkt neben der
Rolltreppe, auf der die Fahrgäste der Metro - wie die U-Bahn hier heißt - zu
Hunderttausenden täglich aus dem unterirdischen Labyrinth an die Oberfläche der
Metropole befördert werden. Einer nach dem anderen. Selbst auf der Rolltreppe und
den Treppen der Ausgänge noch dicht gedrängt.
Obwohl nur alle zwei bis drei Minuten ein Metrozug ankommt, scheint der
Menschenstrom den ganzen Tag lang bis Mitternacht nicht abzureißen. Wie ein
farbenfroher Endlos-Bandwurm, der sich aus der Tiefe der Erde hinauf in das
Tageslicht schlängelt.
Oben angekommen nichts als Straßenlärm und Geschrei.
Brüllen, plaudern, schreien, reden, rufen, streiten, schimpfen, feilschen, kichern,
lästern, lachen, plärren … Die Stimmen und der Lärm einer Megacity.
Polizeisirenen.
Hupkonzerte.
Abgase und Schwüle.
Häuser und Hundedreck.
Das waren die Eindrücke der Stadt.
Chaos.
Hektik.
Menschen.
Millionen von Menschen. Im Durchschnitt vier Millionen Fahrgäste in der U-Bahn
Mexiko-Stadt.
Mexiko hält eben nie inne.
Mexiko hält nirgendwo inne.
In dieser Stadt hält gar nichts inne: Keine Rolltreppe. Keine Menschenschlange. Und
die Massen von Fahrgästen an Pajos U-Bahnstation auch nicht.
Jeder muss an Pajo und dessen Kaugummipyramide vorbei.
Die ist lange nicht so berühmt wie die Sonnen- und Mondpyramide der Ruinenstadt
Teotihuacán in der Nähe der Stadt und schon gar nicht wie die auf der Halbinsel
Yucatán im Osten des Landes. Und erst recht nicht so hoch! Dafür ist Pajos Pyramide
aber schön bunt. In den Farben der Kaugummipackungen: Gelb, rot, grün, blau,
rosa.
Auf jeden Fall muss jeder, der die Station hier verlässt, daran vorbei.
Ob er will oder nicht.
Ob er hinsieht oder nicht ist eine andere Frage.
Pajo ist jedenfalls nicht zu übersehen. Er hat sich nicht umsonst in bester
Verkaufslage platziert: Als erster beim Ausgang einer der belebtesten Metroausgänge
der Stadt.
Stundenlang sitzt Pajo schon hier.
(aus: FIESTA IM METROSCHACHT MS 77, 1. Kapitel)
LESEPROBE und Information
zum Debutroman HANDYBERG,
der 2008 für ÖSTERREICH-BUCHLIEBLING - Kinderbuch nominiert war -
Siehe Downloads.
REZENSIONEN
Zu drei Büchern finden Sie im "Österreichischen Bibliothekswerk, Salzburg" unter folgendem Link: http://www.biblio.at
Die Rezension zu "FIESTA IM METROSCHACHT MS 77" finden Sie im Download.